BICICLI Logo

NEU: 8.30 - 10 Uhr Radabgabe für Werkstatt
FULL SERVICE Fahrrad-Flotten

BICICLI

Zweiter »Dieselgipfel«: Wenig Luft bis zum Fahrverbot?

Die Luft wird dünner. Wahlkampf-Zeiten. Und in den Städten? Dicke Luft, magere Budgets. Beim zweiten Gipfel zum zweiten Mal: 500 Mio. in Mobilitätsfond. 5 Einsichten des zweiten Gipfels.

»Entsetzt», »Stocksauer«, sei die Kanzlerin auf die Auto-Industrie. Die Industrie war beim zweiten Dieselgipfel im Kanzleramt bei Merkel und Vize-Kanzler Gabriel nicht am Tisch. Dafür ca. 30 Oberbürgermeister aus rund 30 Städten, die besonders von hoher NOx-Belastung betroffen sind sowie die Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Die Autobranche sitzt - so machte Merkel klar - für einen zweiten industriellen Dieselgipfel im November wieder am Tisch.

(1) Enttäuschung über ersten Gipfel und die Automobil-Industrie:
Zu viel Kartell und Manipulation und zu wenig Beiträge und zu wenig Angebot?

Die Industrie hatte 250 Mio. Euro für den Fonds "Nachhaltige Mobilität" zugesagt. Allerdings sei es "der Branche bisher noch nicht gelungen, das Geld auch tatsächlich zusammenzutragen", wie die Frankfurter Rundschau berichtete und der Verband der Automobilindustrie sagte schnell zu: dass das noch geleistet werde. Vize-Kanzler Gabriel forderte die Unternehmen deshalb am Montag auf, ihr finanzielles Engagement durchaus auszuweiten. „Ich finde, das kann auch etwas mehr sein von der Autoindustrie“. Die Enttäuschung über das magere Ergebnis und die geringen Beiträge der Automobil-Industrie scheint in den letzten vier Wochen auch medial nicht verflogen. Die Leistungsschau IAA wird in der kommenden Woche sicherlich Gesprächsbedarfe und -möglichkeiten schaffen. Denn die deutsche Automobil-Industrie sieht auch ausländische Hersteller in der Pflicht und sorgt sich - aufgrund auch der fehlenden eigenen Angebotstiefe, dass Elektro-Busse in China bestellt werden.

(2) Kommunale Herausforderungen: 225.000 eigene Diesel-Fahrzeuge.
Erstmal vor der eigenen Stadtmauer kehren?

Ca. 90 Städte sind regelmässig über der Stickoxid-Belastung. Die Klagen laufen, weitere werden angekündigt, so dass Gerichte über Fahrverbote entscheiden müssen. Ein Hebel sind die Fuhrparke der Kommunen selbst: Laut Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sind dies 250.000 Fahrzeuge - 90 Prozent davon Diesel. Doch dafür bedarf es Geld. 500 Mio. Euro sind nun - ohne Beteiligung der Industrie - aus dem laufenden Haushalt zugesagt worden. Aber es bedürfte wohl einer langfristiger angelegten Mobilitätswende, denn diese Maßnahmen freifen erst in drei bis fünf Jahren.

(3) "Nachhaltiger Mobiliätsfonds":
Eher nicht nachhaltiges Risikokapital als Zukunftsforschung mit konkreter Innovations-Förderung?

Eine Milliarde Euro werden nun in den sogenannten »Fonds zur Stärkung der nachhaltigen Mobilität« zumindest kalkulatorisch fließen - 750 Mio. Euro aus dem laufenden Staatshaushalt. Es werde nun »sofort« eine Koordinierungsstelle eingesetzt, die sinnvolle Proejekte für diesen Fonds identifizieren solle. Das Ziel: Verhinderung von Fahrverboten. Verwaltungsrichter könnten mehr sehen wollen, unken nicht wenige Beobachter und auch betroffene Landesminister.

Nun können also Kommunen Mittel aus dem Fonds für öffentlichen Nahverkehr sowie den Fahrrad- und Fußgängerverkehr beantragen. Weiterhin ist eine Förderziel die Digitalisierung der Verkehrssteuerung zur Vermeidung von Staus und damit zusätzliche Emissionen. Das Geld des Fonds fließt 28 Regionen zu, in denen die Stickoxid-Belastung besonders hoch ist, was auch zur einer Vertragsverletzungs-Klage der EU geführt hat. Das alles wirkt nicht strategisch, sondern suchend. Das ist im Grundsatz vertretbar, aber - so die Vermutung vieler Experten unterschiedlicher Richtungen zu langsam.

Ein internationaler Vergleich: Oslo investiert - als einzige Stadt - insgesamt 6 Mrd. Euro in den kommenden 10 Jahre für - eine einzige autofreie Stadt.

(4) Die doppelte Entlastung des "nächsten ÖPNV":
Höhere Nutzung von sauberen Bussen?

Die häufig veralteten Diesel-Bus-Flotten der Kommunen könnte mit dem Fonds ebenfalls umgerüstet werden. In manchen Städten kommt ein Fünftel des Stickoxid-Ausstoßes von diesen Busflotten. Das bereits angekündigte Kaufprogramm für Elektrobusse von 100 Mio. Euro jährlich ist zusätzlich zu dem Mobilitätsfonds zu sehen. 80 Prozent des Preis-Unterschieds zu Dieselbussen sollen die Kommunen mit dem Geld ausgleichen können. Derzeit sind in Deutschland nur rund 500 Elektro- oder Hybridbusse, aber knapp 80.000 Diesel-Busse unterwegs. Genau die Umstellung und Qualitätsverbesserung des ÖPNV könnte eine solche langfristige Wirkung entfalten - entlastend den Verkehr und die Emission.

(5) Die emissionslosen und emotionsvollen Rad-Infrastrukturen:
Fahrrad-Boten statt Fahrverbote?

Die Rad-Verkehrspolitik spielte einmal mehr eine untergeordnete Rolle. Aber sie kommt von Gipfel zu Gipfel - gerade in Berlin als Stadt mit dem wohl in 2018 ersten Radgesetz Deutschlands - stärker in das Bewusstsein. Die Feinstaub-Problematik, die anders als die Stickoxid-Belastung, sei gerade durch die Fuhrpark-Umstellung und eben konsequenter Rad-Verkehrspolitik erfolgreich angegangen worden, wie der Deutsche Städtetag betonte. Logistik-Unternehmen schauen voraus: alle stellen auf Radflotten um - zumindest zum Teil.

Und in der Tat zeigt sich, dass Städte wie Berlin oder auch München, Aachen und andere, die nun konsequent in Rad(schnell)wege investieren. Aachen hat beispielsweise nicht an die grünen Umweltplaketten geglaubt - die nun als blaue Plaketten wieder in der Diskussion sind -, sondern das Mobiliäts-Verhalten selbst beeinflussen wollen. Stadtsprecher Beckers weist auf Ausfallstraßen für Radler in die Stadtbezirke, Querverbindungen und Schnellwege von 15 Kilometer zum Anschluss von Nachbarstädten. Radwege erzeugen Radverkehre, bei aller Skepsis, die auch in Aachen bei Asphaltierung von Radwegen noch erkennbar sind.

Und wenn nur ein OB mit einem Elektro-Dienstauto vorfuhr, um dessen Wiederaufladung sich das Dresdner Stadtoberhaupt bzw. sein Fahrer sorgen musste, dann zeigt das auch: mit Diensträder und der Deutschen Bahn wäre das nicht passiert.