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Mehr Lastenrad-Förderung?

Anreize zum Radverkehr in anderen Ländern

Dienstwagen-Deutschland kennt seit 2012 das Dienstfahrrad. Allerdings nur nicht-tarifgebundene Unternehmen. Andere Länder haben es anders, demokratischer und klimaschützender gemacht.

Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung hat es klar gemacht: In Deutschland sollen mehr Menschen radfahren, um den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken.

Aber wie soll das gelingen, denn Verhaltenswissenschaftler*innen wissen: Menschen ändern - gerade bei ihrer Mobilität - nicht so gern ihre Routinen. Gerade Autonutzer sind hier eine Zielgruppe, die auch bei Corona-Home-Office-Zeiten eher in der Freizeit auf den Geschmack kommen. Aber welche Anreize geben Regierungen in verschiedenen Ländern das nachhaltige Radeln - gerade beim Pendeln? Kann Geld aufs Rad locken?

Die ZEIT hat das in einem Beitrag einmal genauer analysiert - hier einige Beispiele und Einschätzungen von BICICLI:

Ausgezahlte Kilometerpauschale für das Radeln

In einigen EU-Ländern wie in den Belgien, Niederlanden, Großbritannien, Österreich, Frankreich und Ungarn können große Unternehmen ihre Rad-Pendler zwischen 20 bis 23 Cent pro Kilometer belohnen.

Bei 20 Arbeitstagen im Monat und einer Strecke von zehn Kilometern pro Weg sind das bis zu 92 Euro im Monat. Die Summe erscheint am Ende des Monats als Bonus auf der Lohnabrechnung und ist steuerfrei. In Belgien kommt das gut an: 2005 wurde die Zusatzzahlung eingeführt, 2018 nutzten sie fast 550.000 Belgier*innen. Das sind 15 Prozent aller Arbeitnehmerinnen, sagte Holger Haubold vom Europäischen Radfahrerverband (ECF) der ZEIT.

Eine gezielte Radverkehrsförderung ist das aber steuerlich nicht wirklich: Die Kilometerpauschale beende nur die Benachteiligung des Radfahrens. Bisher waren es Auto- und ÖPNV-Pendler*innen. Anders als bei der deutschen Pendlerpauschale wird der Bonus voll ausgezahlt und nicht nur als Kilometerpauschale von der Steuer abgesetzt.

Dienstrad im Dienstwagen-Deutschland

In Deutschland können Arbeitnehmer seit 2012 neben Autos auch Fahrräder vom Arbeitgeber im Rahmen eines Leasings überlassen bekommen. Seit 2012 ist die Regelung dem Dienstwagen steuerlich gleichgestellt. Je nach Modell und Provisionsmodell der Leasing-Vermittler sparen sie bis zu 40 Prozent gegenüber dem Ladenpreis.

Das funktioniert, weil die Leasingrate vor dem Versteuern vom Brutto-Gehalt abgezogen wird und Angestellte wie Arbeitgeber so Sozialabgaben sparen. Es wird von ca. 500.000 Dienstrad-Nutzer*innnen ausgegagen. Belastbare Erfahrungen zur Klimabilanz gibt es nicht. Anbieter sehen einen Effekt beim Pendlen. Händler aber auch bei Sporträder der Luxusklasse. Und neben der Frage der Wirksamkeit der Pendler-Verkehre ist auch die aufgrund der tarifrechtlichen Ungleichbehandlung das Modell nicht unstrittig. So sind gerade Stadtverwaltungen, Wohlfahrtsverbände oder andere tarifgebundenen Unternehmen von diesem Privileg ausgeschlossen. Dies liegt auch daran, dass Arbeitgeber in der Regel keine Zusätzlichkeit zum Bestandsgehalt gewähren, sondern eben die Umwandlung. Dienstwägen sind ein Privileg von ohnehin besser verdienenden Entscheiderebenen oder eben vielfahrenden Aussendienstler*innen.

Controlling der Wirksamkeit

Konkrete Zahlen zur Veränderung der Pendler-Verkehre in Deutschland durch die Steuerprivilegierung erfassen also weder Steuerbehörden, Leasing-Anbieter noch Arbeitgeber. Das könnte und sollte sich ändern, wenn Nachhaltigkeitsberichte die kurzfristigen Quartalsberichte ergänzen.

Anders in Belgien: Dort sammeln die Arbeitgeber die Angaben und melden der Regierungsbehörde für Verkehr, wie viele Kilometer ihre Mitarbeiter mit welchen Verkehrsmitteln zurücklegen.

Maßnahmen und Motive einzelner Regierungen und Arbeitgeber

Radfahrer*innen strampeln nicht nur für die CO2-Bilanz, sondern vor allem für nationale Gesundheit und die Controller in Unternehmen:

In den Niederlanden ist man überzeugt: Mitarbeiter*innen, die mit dem Rad zur Arbeit kommen, sind in besserer Verfassung und weniger anfällig für Krankheiten. Kosten für Parkplätze werden gespart. Immerhin passen gut 8 auf einen Autostellplatz.
Deshalb ermutigt die niederländische Regierung die Arbeitgeber, Duschen und überdachte Stellplätze für Fahrräder bereitzustellen.

Ähnlich in Belgien: In einer von der ZEIT zitierten Untersuchung des belgischen Föderalen Öffentlichen Dienstes für Mobilität und Transportwesen zeigt, dass die Kilometerprämie am effektivsten ist - gefolgt von überdachten Abstellanlage: Die Prämie motivierte rund 36 Prozent. Unternehmen, die in Infrastruktur investierten, erhöten den Radanteil um rund 14 Prozent.

Steuerrückzahlungen und Kaufprämien

In Luxemburg erhalten die Arbeitnehmer*innen zwar keine Prämie, aber eine einmalige Steuerrückzahlung von 300 Euro, wenn sie sich ein Fahrrad kaufen.

In Paris gibt es seit Dezember 2019 eine Kaufprämie für E-Bikes von 400 Euro und für Lastenfahrräder von 600 Euro. Das sind wirksame Mittel, um die Fahrradnutzung zu erhöhen.

Als Beleg wird immer wieder die wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2015 herangeholt, dass 62 Prozent der Auto-Pendler umsteigen, wenn sie ein E-Bike für ihren Arbeitsweg nutzen können.

In Deutschland gibt es ebenfalls verschiedene Förderprogramme für Lastenräder. Berlin hat beispielsweise 2018 mit 200.000 Euro gefördert. Privatleute und Gewerbetreibende konnten bis zu 1.000 Euro pro Rad beantragen (BICICLI radar berichtete) und war sofort ausgebucht. Im Folgejahr sollte das Budget auf 500.000 Euro aufgestockt werden, aber es kam bis heute zu keiner Neuauflage und die in 2020 angekündigte Initiative musste seitens der förderden IBB wegen Corona verschoben werden. München hatte früher mit einer solchen Förderung begonnen. Wer dort wohnt, kann 25 Prozent der Nettokosten, maximal 1.000 Euro, für ein privat oder gewerblich genutztes E-Lastenrad erstattet bekommen.

"Erradel Dir die Infrastruktur und Preise"

Um mehr Menschen aufs Rad zu locken, arbeiten Städte wie Hamburg und Hannover außerdem mit dem österreichischen Unternehmen Bike Citizens zusammen [Hinweis: Partner von BICICLI]. Die App trackt Radfahrten, empfiehlt besonders gute Strecken, die für Auto-Pendler*innen überraschen. Die App zeichnet sämtliche gefahrene Routen und Kilometer anonymisiert auf. Mit jedem gefahrenen Kilometer sammeln die Fahrer*innen Punkte. Wenn sie eine bestimmte Anzahl von Kilometern erreicht haben, erhalten sie kleine Preise wie Kinokarten oder einen kostenlosen Kaffee. In Hamburg wurden in drei Monaten 500.000 Kilometer mit der App aufgezeichnet. Um die Leute bei Laune zu halten, wurden immer wieder besondere Preise vergeben wie Konzertkarten für die Elbphilharmonie oder ein Faltrad.

Der Kölner Anbieter "Radbonus" [Hinweis: Partner von BICICLI] bietet ähnliche Modelle an. Auch Krankenkassen überlegen sich eine Tarifierung. BICICLI ist in einigen Gesprächen. Eine Überlegung für die stufenweise Ausbauten der Radinfrastruktur ist auch das BICICLI-Modell: Erradel Dir deine Infrastruktur - pro 1000 Kilometer einen Kreuzberger Bügel, also einen Fahrradstellplatz.

Abschließende Einschätzung und Empfehlung
Deutschland sollte vom Dienstrad-Leasing umstellen
auf emissionsabhängig priviligierte Mobilität

Die Frage bei jeder Förderung ist die, wer gefördert werden soll. Hier: Geht es um Verkehrsmittel oder um Mobilitätsart? Bei einer betrieblichen wie kommunalen Verkehrswende geht es in erster LInie um CO2- und Kostenreduktion sowie Gesundheit als Motivie. Der Überblick der internationalen Beispiele zeigt, dass Deutschland zwei Ungleichbehandlungen erzeugt und nicht auf die Verkehrswende abzielt:

(1) Dienstrad-Leasing nur für tarif-ungebundene Unternehmen und nicht für Öffentlichen Dienst und durch Finanzierungs- und Bürokratiekosten auch teurer. Zudem profitieren aufgrund der Steuerprogression Einkommensstarke wie beim Dienstwagen oder der Altersvorsorge überproportional.

(2) Lastenrad-Förderungen für Privatpersonen ist angesichts der Nutzungsfrequenz meist auch platzseitig weniger sinnvoll als Kiez- und Unternehmens-Flotten als Pool-Lösung.

Es wird Zeit - und zwar in Kooperation zwischen Finanz-, Verkehrs- und Umweltministerium - die (steuerlichen) Anreizpolitiken im Sinne des Green New Deals auf die Emissionswerte und die tatsächlichen Pendler-Verkehre umzustellen, als Automobilie und Fahrräder und deren Leasing-Modelle zu unterstützen.

HINWEIS IN EIGENER SACHE:
BICICLI bietet selbst ein eigenständiges Dienstrad-Leasing-Modell an, da es momentan die einzige Anreizstruktur ist. Dabei wird auf die üblichen hohen Provisionierungen verzichtet und mit Arbeitgebern und Wohungsbaugesellschaften wie Immobilienentwicklern auf Mobilitätskonzepte fokussiert, also Mikro-Mobilitätsflotten beim Arbeitgeber oder Wohnort und weitere Formen der Mobilitätsdienste gesetzt. Und die Logik kann mit gewissen Anpassungen erstmals auch für tarifgebunende Unternehmen angeboten werden, die mit Mobilitätszuschüssen hier Anreize schaffen.