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05.02.2018

GroKo: Rad-Losigkeit in Verkehrswende?

Der Diesel-Skandal steht nicht im Stau. Täglich neue Berichte erschüttern selbst Diesel-Fahrer. Moralisierung, Elektrifizierung und Digitalisierung: Anlässe für die inter-modale Verkehrswende?

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD bilden die Grundlage für die aktuellen Koalitionsgespräche. Dort las man salomonisch: „Wir wollen Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern."

Aber in der Bevölkerung und auch den Bürgermeistern gibt es dicke Luft, weil die Koalitionsverhandlungen selbst keine Beschleunigung, sondern Bewahrung anzudeuten scheinen. Die von Umweltverbänden geforderte Einführung einer blauen Plakette sei kein Thema.

Kommunale Fahrradlobby: Rad-Lose Verkehrspolitik des Bundes

Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) teilt im Grundsatz die Position der Koalitionäre, aber wird konkreter: „Aus Sicht der AGFK-BW sind Verbote meist ein unzureichendes Mittel, um Ziele zu erreichen. Es ist vielmehr notwendig, gute, leistungsfähige und möglichst in allen Effizienz- und Komfortmerkmalen konkurrenzfähige Alternativen zum Kfz-Verkehr anzubieten", betont der Karlsruher Baubürgermeister und AGFK-Vorsitzende Michael Obert in einem Schreiben an die drei Parteien.

„Dafür [die Luftreinhaltung] bedarf es eines ganzen Bündels von Maßnahmen." führen CDU, CSU und SPD weiter aus. Auch hier stimmt die AGFK-BW zu. Aber: „Leider mussten die Mitglieder des kommunalen Netzwerks und ich selbst feststellen, dass die Radverkehrsförderung mit keinem Wort erwähnt wird. Das bedauert die AGFK-BW außerordentlich, denn es gibt seit dem Jahr 2002 den Nationalen Radverkehrsplan, der 2013 fortgeschrieben wurde. Dort werden Ziele formuliert, von denen man erwarten kann, dass sie in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden.", so Obert weiter. Und das bei 45 Prozent aller Pkw-Fahrten, die eine Distanz von weniger als fünf Kilometern zurücklegen, wie das Mobilitätspanel Deutschland 2015 belegt. Hier wird ein großes Verlagerungspotenzial gesehen.

Mit dem Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) mit seinem Zielhorizont 2020 besteht bereits ein geeignetes Mittel, um Fahrverbote zu vermeiden und die Luftreinhaltung zu verbessern. Im NRVP sind nicht nur zahlreiche Handlungsfelder und sondern auch konkrete Maßnahmen beschrieben, wie man den Radverkehr fördern kann. Hierzu gehören beispielsweise eine bessere Verknüpfung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ein angemessenes Angebot an Fahrradstationen und Bike&Ride-Anlagen. Doch dazu muss der NRVP auch auf Bundesebene mit den dazu notwendigen personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Mit den Mitteln des neu geschaffenen Mobilitätsfonds ließen sich alle Städte und Landkreise leicht zu Aufsteigern gemäß der Kriterien des NRVP entwickeln. Dies und die adäquate Berücksichtigung des Rad- und Fußverkehrs im Allgemeinen fordert die AGFK-BW nachdrücklich von allen Koalitionären. Die Aufstockung der Förderung ist mit 200 Millionen Euro im Gespräch.

100.000 neue Ladepunkte für Elektrofahrzeuge

Um Fahrverbote für Diesel-Autos in Innenstädten zu verhindern, planen die Unterhändler von Union und SPD eine Elektrifizierungsoffensive. So sollen Elektro- und Hybrid-Dienstwagen bei der pauschalen Besteuerung von Firmenwagen mit einem reduzierten Satz von 0,5 Prozent erfasst werden, außerdem sollen Firmen für Elektro-Laster zeitlich befristet eine Sonderabschreibung von 50 Prozent bei den Anschaffungskosten in Anspruch nehmen können.

Bis 2020 versprechen die Verkehrs-Unterhändler 100.000 neue Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) räumte aber ein: "Wir wissen nicht, ob wir Fahrverbote werden vermeiden können."

Was noch auf die Schiene gebracht werden soll: Schienenlärm bis 2030 um 50% gemindert

Die Bahn soll mit einem Bündel von Maßnahmen attraktiver gemacht werden. Der Schienenlärm soll bis 2030 um die Hälfte gemindert und mit einem "Schienenpakt zwischen Politik und Wirtschaft" und einer Service- und Qualitätsoffensive der Bahn die Zahl der Kunden verdoppelt werden. Deutlich mehr Städte ab 50.000 Einwohnern und alle Städte ab 100.000 Einwohnern sollen an das ICE-/IC-Netz angeschlossen werden.

Beim Ausbau des Schienennetzes sollen Bürger früher beteiligt werden. Davon könnte die Güterfernstrecke zwischen den Niederlanden und NRW, die "Betuwe-Linie", betroffen sein. Demnach könnte der Bund die Lärmschutzmaßnahmen in Eigenregie beschließen, die zwischen Bund, Land, Anrainerkommunen und Betreibern noch umstritten sind. 2017 hatte der rund 1,5 Milliarden Euro teure Ausbau der Strecke begonnen. Das Vorhaben gehört zu den wichtigsten Schienenprojekten.

Und noch etwas liegt in der Luft...

Bei den Koalitionsverhandlungen machten sich Verkehrsexperten von Union und SPD auch für eine schrittweise Abschaffung der nationalen Luftverkehrsteuer stark.

Die zukünftige Opposion reibt sich die Augen, wie Annalena Baerbock, die neu gewählte Co-Bundesvorsitzende der Grünen: "Der ganze Klima- und Umweltschutzbereich ist ein ziemliches Desaster. Im Verkehrsbereich gibt es gar keine richtigen Klimaschutzmaßnahmen."