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Riffreporter & fixmyBerlin

fixmyBerlin: Digitale partizipative Planung

Digitale und intersektorale Innovationen für Parkierung, Radwege-Anlagen und Sicherheit. Neue Wege der Information, Partizipation und Forschung. Was wird versucht, was gelingt?

Ausgangspunkt: Das Mobilitätsgesetz

Es trat im Sommer 2018 in Kraft. Aufbruchsstimmung nicht nur in Berlin. Radaktivisten waren hoffnungsfroh, Berliner Grantler weniger und alle Metropolen in Lauerstellung, ob der Verwaltung denn nach dieser Politikverfahrensinnovation nun auch eine Verwaltungsumsetzungsrevolution gelänge.

Wie auch im BICICLI Salon für Urbane Mobilität im Herbst 2019 ausführlicher besprochen: Die Ambitionen sind hoch. Die Liste der Vorhaben lang, dier er Umsetzung noch kurz:

  • 5 »Protected Bike Lanes« in der Stadt
  • 21 Kilometer grün markierter Radwege
  • rund 13.500 neue Radbügel.

Aber im Hintergrund passiert mehr - nur ohne breite Kommunikation: Die Infravelo GmbH wurde begründet. Die Beauftragten in den Bezirken nehmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ihre Brückenbauer-Funktion auf. Die Unzufriedenheit in der Stadt steigt - zumal bei den steigenden Unfall- und Totenzahlen.

Nun müssen wir aber alle erkennen: Verkehrswende ist nicht eine Wende nur des Umbaus der Straße. Sie ist ein Verhaltenswende, ein Kulturwandel, der von den Planern und Entscheidern auch neue Denk- und Arbeitsweisen fordert. Viele Radfahrer*innen wünschen den Planer*innen nicht selten die tägliche Pendlerfahrt auf ihren eigenen Strecken - als Strafe.

Helfen digitale und intersektorale Innovationen?

Nach der Auffassung der Verwaltung ist ein Grund für die Unzufriedenheit ein Mangel an (1) Transparenz und (2) Beteiligung in der Planung.

Das Berliner Start-Up „FixmyBerlin“ hat dafür digitale Lösungen entwickelt. BICICLI hat dies im Salon als "intersektorale Innovation" beschrieben, also die verbesserte Zusammenarbeit und Kooperation sowie Kommunikation zwischen der den Sektoren Stadt/Verwaltung, Unternehmen (mit ihren pendelnden Mitarbeiter*innen) und der Zivilgesellschaft.

Im Auftrag der Senatskanzlei und des Bundesverkehrsministeriums hat das Berliner Startup „FixmyBerlin“ nun zunächst einmal eine interaktive Karte entworfen, die sämtliche Bauvorhaben für den Radverkehr und ihren Projektstand in der Hauptstadt anzeigt. Über die gleichnamige Plattform können sich interessierte Bürger nun jederzeit über die verschiedenen Bauprojekte genau informieren.

„Anfangs fürchteten die Verwaltungen, dass die Beschwerden ansteigen“, sagt Heiko Rintelen, Geschäftsführer von „FixmyBerlin“ im Beitrag der Plattform »Riffreporter«. Aber das Gegenteil sei der Fall. Die Plattform entlastete die Behörden. „30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit haben die Mitarbeiter früher für das Beantworten von Bürgeranfragen verwendet“, sagt er. Seit es die Karte gibt, seien die Anfragen deutlich zurückgegangen. Außerdem hilft sie ihnen im Alltag.

Ein weiterer Vorteil auch für die Planer ist die Ünersicht, was ihre Kollegen in den Nachbarbezirken entwickeln. So können Bauprojekte aufeinander abgstimmt werden, denn Radwegeinfrastruktur endet - anders als die Planung - nicht an der Bezirksgrenze.

Klick statt Bürgerdialog? Fahrradbügel ja. Radwege nein!

Nun nutzen die Pionier-Bezirke die Plattform für ihre Radverkehrsplanung ganz konkret. Vorreiter und Vorradler Friedrichshain-Kreuzberg hatte im vergangenen September die Anwohner*innen, wo genau Fahrradbügel fehlen. Über 1.200 Wunsch-Standorte sind innerhalb von vier Wochen auf „FixmyBerlin“ eingegangen. Die Prüfungen laufen, die Umsetzung ist zugesagt. Dialogveranstaltungen mit den Bürgern zum Bau von Radwegen findet Rintelen wichtig. „Aber in diesem Fall reichte eine einfache Abfrage völlig aus und sprach eine viel breitere Gruppe in der Bevölkerung an“, sagt er.

Sicherheit durch 3D-Visualisierung

FixmyBerlin arbeitet nun an der Vorbereitung der Radverkehrsplanung mit dem Berliner Tagesspiegel zusammen: Daten-, Kommunikations- und Verkehrsexperten haben eine Umfrage gestartet, die anhand von 3D-Visualisierungen sämtliche Typen an Radinfrastruktur zeigt. Die Frage: Welche Art von Radwegen erzeugt ein sicheres Gefühl. „Einen ernsthaften Dialog kann ich digital nicht abbilden“, sagt Rintelen. Aber die Stadtbewohner/innen könnten anhand der Bilder durchaus entscheiden, ob sie auf den abgebildeten Radwegen Fahrrad gerne fahren würden oder nicht.

Forschung zu Beinahe-Unfällen

Die britische Verkehrswissenschaftlerin Rachel Aldred (University of Westminster) und Sean Crosweller haben 2015 eine Studie über Beinahe-Unfälle vorgelegt: 2.586 Radler*innen wurden an zwei bestimmten Tagen gebeten, ein Fahrradtagebuch zu führen und die für sie unangenehmen Erlebnisse im Straßenverkehr zu protokollieren. Etwa drei von vier Teilnehmer*innen waren erfahrene Fahrradpendler, überwiegend männlich (70 Prozent), zwischen 30 und 59 Jahre. Ein Drittel in London unterwegs, die anderen ebenfalls aus Städten in Großbritannien. Das Ergebnis ist aufschlussreich. Die Studienteilnehmer notierten insgesamt mehr als 6.000 Zwischenfälle - also mehr als zwei unangenehme Erlebnisse pro Tag. Jeder siebte Vorfall war ein Beinah-Zusammenstoß mit einem Bus oder einem Lkw. Sonst auf der Liste: 1. Autos, die mit zu geringem Abstand überholten, 2. blockierte Radwege, 3. das sogenannte Dooring (plötzliches Öffnen der Tür eines stehenden Autos) sowie 4. gefährliche Situationen beim Abbiegen.

Genau solche demotivierenden Effekte der Verkehrswende will das Team von „FixmyBerlin“ vermeiden. Sie erhoffen sich von ihrer Umfrage ein klares Stimmungsbild im Vorfeld von Maßnahmen. Wenn die Ergebnisse beispielsweise zeigten, dass das Sicherheitsgefühl der Radfahrer bei Radwegen unter einer bestimmten Breite problematisch sei, müsse man entsprechend größer bauen, sagt Rintelen.

LINKS UND HINTERGRUND

HINWEIS: Der Artikel wurde mit Bezug auf den folgenden Beitrag verfasst: https://www.riffreporter.de/busystreets-koralle/fixmyberlin/