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17.02.2019
Scheuer will neben Elektro-Tretroller auch Elektroboards für Straße und Bürgersteige freigeben. Starts ups freuen sich. Experten-Kritik wurde nicht angehört. Alle Infos hier:
Die Fakten vorweg
SPIEGEL und Handelsblatt berichteten inhatlich zwar unterschiedlich, aber mit gleicher Zeitlinie über den Vorstoss von BM Andreas Scheuer (CSU), der sich bei dieser "Lifestyle-Mobilität für Hippster" (aktuelle Ausgabe des SPIEGEL) nun über die Einwände im eigenen Haus hinwegsetzen möchte - ohne Anhörung der Verbände.
(1) Tretroller und Skateboards mit Elektromotor sollen in Deutschland künftig auf Fahrradwegen, Straßen und sogar ausgeschilderten Gehwegen fahren dürfen.
(2) Die Erlaubnis für die Elektroboards (ohne Lenkstange) soll zunächst der Status als "Verkehrsversuch" erteilt werden. Sollten sich zu viele Unfälle ereignen, könne sie schnell widerrufen werden.
(3) In den nächsten Tagen werde die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung finalisiert und zu abschließenden Begutachtung der Europäischen Kommission und dem Bundesrat weitergeleitet, der dies zu entscheiden habe. Im Frühjahr 2019 soll sie in Kraft treten.
(4) Die Scooter dürfen maximal 20 km/h schnell sein, die Boards wohl 11 km/h. Die Voraussetzung bezüglich des Mofaführerscheins wird in den Medien konträr berichtet. Sicher: Versicherungskennzeichen. Unsicher: Mitnahme in den Nahverkehren.
Den Referentenentwurf für die Verordnung finden Sie hier auf der Homepage des Ministeriums.
Eine ganze Reihe von Start-ups wartet schon seit Jahren auf diese Verordnung, um auch in Deutschland Elektrotretroller und ähnliche Gefährte verleihen oder verkaufen zu dürfen. In anderen Ländern gehören diese Fahrzeuge schon zum Alltag auf den Straßen, unter anderem in den USA, in Österreich, in der Schweiz, in Finnland, Norwegen, Belgien, Dänemark oder Frankreich. In Deutschland hatte sich ein entsprechendes Gesetz zuletzt verzögert, weil die Fachbeamten in Scheuers Ministerium Bedenken hatten, insbesondere jene Elektroboards zuzulassen, die ohne Lenkstange und Handbremse auskommen. Hintergrund sind die hohen Unfallzahlen, die sich in allen Städten abzeichnen.
Scheuer habe sich dem Spiegel zufolge nun über die Einwände hinweggesetzt, weil er die Mikromobilität mit Rollern und Boards für moderne Verkehrskonzepte in Innenstädten für notwendig hält. Die Verordnung enthält einen Passus, der die Erlaubnis für die Elektroboards zunächst als eine Art Verkehrsversuch erteilt. Sollten sich zu viele Unfälle ereignen, könne sie schnell widerrufen werden.
BM Scheuer hat mit diesem Schritt Kritiker auf allen Seiten auf den Plan gerufen - auch weil er sie bei der Ausnahme-Veordnung ohne Lenkstange auf eine Anhörung der Verbände verzichtet habe: der Verein FUSS hat gemeinsam mit dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Deutsche Blinden und Sehbehindertenverband sowie dem Landesseniorenbeirat Berlin einen offenen Brief verfasst. Kernforderung: „Der Gehweg bleibt frei von Motorfahrzeugen. Wir wehren uns entschieden dagegen, dass ausgerechnet die Schwächsten hier ungefragt als Versuchsobjekte missbraucht werden sollen.“ Auch lenkstangenlose Elektrokleinstfahrzeuge könnten rein technisch bis zu 35 km/h erreichen, der Gehweg sei für diese „Spielzeuge“ zu riskant. Dies würde ausgerechnet den schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern den letzten fahrzeugfreien Raum nehmen.
Selbst das durchaus interessierte E-Fahrzeug-Bündnis „Electric Empire“ sieht es kritisch, dass die Verbände nicht an der Ausnahmeverordnung beteiligt werden. Sprecher Lars Zemke betont, man wolle gar nicht auf dem Gehweg fahren. Doch Scheuer wolle offenbar „ganz schnell ohne großen Gegenwind etwas durchboxen“. Das Verkehrsministerium wolle nur die Länder anhören. Zumindest die Berliner Senatsverwaltung steht dabei auf Seiten der Fußgänger. „Der Gehweg ist für Fußgänger da“, erklärte Sprecherin Dorothee Winden. „Insbesondere für ältere Menschen, Kinder oder Blinde stellen Hoverboards auf dem Gehweg eine Unfallgefahr dar.“
Eine aktuelle Untersuchung des Beratungsunternehmens McKinsey schätzt das Marktpotenzial von Angeboten im Bereich Mikromobilität aller Art bis 2030 in Europa auf 150 Milliarden Dollar, wovon sich mehr als die Hälfte allein mit E-Scootern verdienen lasse.
In Deutschland sieht McKinsey die Möglichkeit für einen Umsatz von 10 Milliarden Dollar mit E-Scootern bis 2030. „E-Scooter-Sharing rechnet sich deutlich schneller als etwa Car-Sharing. Es braucht weniger Auslastung, E-Scooter sind schneller profitabel. Das macht es für den Anbieter attraktiver“, sagt Kersten Heineke, McKinsey-Partner und Co-Autor der Studie dem Handelsblatt. Dazu gibt es auch andere Einschätzungen, und zwar aus Städten und Investoren gleichermaßen: Nach den zahlreichen Pleiten und ungeordneten Rückzügen von Leih-Rad-Anbietern ist es notwendig für Städte und der Bevölkerung sozial akzeptierte Geschäftsmodelle aufzubauen: „Dafür ist im Vergleich zur aktuellen Situation sicherlich noch einiges an Professionalisierung notwendig“, wird selbst von McKinsey ernüchternd festgestellt.
Nun zweifeln auch die erste E-Scooter-Investoren offenbar bereits am Hype, dessen schneller Niedergang nicht nur in San Francisco als "Scootergeddon" bezeichnet wird.
Die hochfinanzierten US-Anbieter Bird und Lime, die auch einen Einstieg in Deutschland prüfen. Bird hatte gerade im Januar 300 Millionen US-Dollar von der Private-Equity-Gesellschaft Fidelity erhalten - eine Stagnation in der Unternehmensbewertung bei zwei Milliarden US-Dollar. Bird-Chef Travis van der Zanden habe sich - nach Meldung des „Wall Street Journal“ deutlich mehr erhofft. Auch Lime mit 400 Millionen US-Dollar eingesammelten Kapital im Januar war ebenfalls unter den eigenen Erwartungen geblieben.
Der Fantasie sind einige Grenzen gesetzt – angefangen beim Wetter. Anbieter ziehen ihre Scooter während der Wintermonate aus bestimmten Städten zurück. „E-Scooter funktionieren nur im Saisonbetrieb“, heißt es auch von der Stadt Bamberg, in der in Kooperation mit Bird das bisher erste und einzige Pilotprojekt mit E-Scootern in Deutschland.
Die Herausforderungen sind aber im Geschäftsmodell einer gemanagten stationslosen Flotte selbst erkennbar. Die Nachhaltigkeit wie auch das Flotten-Management bei der Akku-Aufladung erzeugt hohe Kosten, wie auch Car-Sharer und Rad-Flottenanbieter erkennen mussten. Dazu kommt die Vermutung, dass Städte Konzessionen vergeben werden und Gebühren für den öffentlichen Raumverbrauch erheben werden. Singapur hat es für Räder vorgemacht, die Insolvenzen folgten, da dies nicht eingepreist war.
Abschließende Frage:
Nachhaltigkeit durch bewegungsvermeidende Erste & Letzte-Meile Mobilitätsmittel
Die abschließende Frage wird bleiben, wie diese vorranging im Bereich der »Erste & Letzte Meile-Mobiliät« verbleibenden Mobilitätsmittel gerade den aktuellen Zielen einer nachhaltigen Verkehrswende entsprechen oder sie eher konterkarieren. Wird nicht der Fuss- und Rad-Verkehr durch eine weitere bewegungsvermeidende Mobilität ersetzt? Werden die Nahverkehrsbetriebe flächendeckend die Mitnahme zulassen? Werden diese Kleinstelektrofahrzeuge insbesondere bei Motor und Akku nachhaltig und wartungsarm sein, also ökologisch und betriebskostenseitig interessant sein?