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BICICLI Fahrradschau Berlin

Fahrradschau Berlin im RADAR. Unsere Nachlese: vier Trends.

Die frische Vielfalt zwischen ingenieur- wissenschaftlicher Präzision und liebevoller Handwerkskunst machte Mut. Ein ausblickender Rückblick: vier Trends und die Messe.

Ist Vintage wieder Vintage und Retro schon Vergangenheit? Natürlich sind die Colnago-Columbus-Rohre und Campagnolo-Shamal-Felgen zauberhaft und natürlich ist die Retro-Welle der fabrikneuen Räder mit viel Liebe, Leder und Lockerheit gelebt. Aber irgendwie wirkt es tatsächlich mitunter etwas gestrig. So schien das Motto der kuratierten Show:  "Geistesgegenwärtiges trifft Retro-Vergangenheit".

Die frische Vielfalt zwischen ingenieurwissenschaftlicher Präzision und Handwerkskunst von Stahl, Leder, Gummi und Textil macht Mut, dass das Neue Urbane Radfahren weiter Schule machen wird. Die eben auch eine „Berliner Schule“ ist. Eine Woche Fahrradschau und Berlin Bicycle Week 2017 ist vorbei – und der Frühling des 200. Geburtstagsjahrs fängt an. 

Drei Trends, die BICICLI aus der spezifischen Sicht eines urbanen Mobilitätsdienstleisters auffielen: 

(1)    Die lässigen Lastenräder

Sie werden immer vielfältiger: teilbarer, wie das französische Douze, faltbarer, wie das Start Up Muli und elektrisch-komfortabler, wie das Riese & Müller Load.  Das „Auto-Ersatzteil“ ist nun in einer qualitativen und funktionalen Entwicklungsstufe, dass die kommunalen bzw. Kiez-Initiativen in den nächsten Jahren noch einiges an sanfter Mobilität – von Kinder-Transport bis Kunden-Fahrzeug – bereithalten. Velogut in der vom Bundesumweltministerium geförderten Initiative ist ein guter Testlauf für Profi-Lastenrad im Leihbetrieb.  

(2)    Die funktionaleren Falträder
Wenn es beim faltbaren Drahtesel einen Platzhirsch gibt, dann ist das wohl der britische Brompton. Die Kapazitätsausweitung auf 100.000 Räder pro Jahr ist wohl nicht nur Ausdruck des bisherigen Erfolges, sondern eine Ansage an die Zukunft. Das seit wohl acht Jahren angekündigte E-Bike soll nun kommen. Wer ist schon da? Das Wiener Vello Bike, letztes Jahr auf der Fahrradschau in Wien als E-Bike gezeigt, könnte seinen Erfolg ebenso einfahren wie das belgische Start Up Ahooga mit seinem sehr leichten hoch individualisierbaren E-Falt-Rad. Wir sind gespannt, was wir im ICE demnächst noch so sehen werden. 

(3)    Die unästhetische Elektrifizierung
Das E-Bike war das energetisierende Thema der letzten Jahre – sowohl im Handel wie auch auf den Straßen für Pendler und Senioren. Und der viel beschriebene eMTB-Trend ist wohl hauptsächlich ausserhalb des Waldes erklärbar, wie auch einzelnden Diskussionsveranstaltungen im Umfeld der Fahrradschau zeigten. Aber dennoch stellt sich die Frage, warum es nach Jahren noch immer nicht gelungen ist, auch ästhetisch ansprechende Räder zu entwickeln. Die Heidelberger Edelschmiede Coboc hat den Start für einen eleganteren Gang gemacht– auch vom Gewicht, auch für Frauen. Die koreanisch-kölschen Klever haben auch viele überzeugende Produkte in noch überzeugender Klarheit wie das X Speed, dass im 3. Quartal in den Handel kommen wird. 

(4)    Die tollen Textilien
Friedrichshafen ist für Mode bisher unbekannt geblieben. Das ändert eine Tirolerin in Berlin für die Felgen-Premium-Marke LeightWeight. Unter der Submarke Edelstoff begann es mit Assos und wird nun eigenständig. Das Loden-Kaschmir-Sacco (Tirol) ist so funktional überzeugend, dass man sich im Premium-Bereich wirklich auf Innovationen freuen kann. Mit dem farbigen Unfallschutz-Textil von POC oder den mal auch schönen Sport-Brillen der Kult-Manufaktur ic! Berlin. Die Warnweste darf wieder ins Auto – und das Auto bei diesem schönen Rad- und Textil-Angebot zum Gebrauchtwagenhändler.

 

Und die Messe? Kommunikative Transportprobleme des Handels und der Hersteller. 

Fares Gabriel Hadid, Geschäftsführer der Berliner Fahrradschau und Berlin Bicycle Week, hat in einem Interview zwei interessante Positionen gemacht, die tatsächlich diskutiert werden sollten. Er sieht die traditionellen Hersteller und Händler derzeit nicht in der Lage, die neuen Botschaften für Produkte, Lifestyle, der Radpolitiken zu transportieren. „Außer in speziellen Concept Stores ist für die Botschaften im regulären Handel kaum oder gar kein Platz. Über die Medien können diese Erlebnisse auch nur bedingt transportiert werden. Wo also treffen sich Marke und Kunde auf Augenhöhe?“ Die Fahrradschau soll dafür ein Platz sein. Schaut man sich um, dann scheint sich jedoch der Eindruck zu ergeben, dass sich ein doch eher jüngeres, noch immer etwas liebenswert-freakiges Publikum einfindet, aber wenig Arbeitgeber oder Flottenbetreiber. 

Hadid denkt aber weiter: „B2C ist das neue B2B! Während sich Konsument und Hersteller auf der Messe austauschen, schaffen wir im Rahmen der Veranstaltung eine Plattform für die Hersteller und Händler aus den verschiedenen Städten.“ Die Zeiten des entweder B2B oder B2C seien für ihn schon lange vorbei. 

BICICLI ist davon in gleicher Weise überzeugt: Die Ästhetisierung der Urbanen Radmobilität – also die Begehrlichkeit – und der Nutzen damit verbundenen Systeme – betriebliche Vorsorge und Gesundheit im Zuge der Dienstrad-Regelung, betriebliche Verkehre in servicierten Flotten – wird helfen, nicht nur B2C und B2B zu verschmelzen, sondern einen neuen urbanen, smogfreien, parkplatzsuchfreien Lebensstil zu entwickeln.

Wenngleich die Radstellplätze zum Abschließen seiner Ästhetik-Modelle auch auf der Fahrradschau selbst Mangelware waren... Was ein Zeichen?!  

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