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31.07.2019

Stadtlogistik: Tagesspiegel zu Lastenrädern

Jutta Maier vom Tagesspiegel gibt erste Zwischen-Bilanz von Lastenrad-Logistik bei DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS. Herausforderung? Rad-Produkte und Service.

BICICLI empfiehlt folgenden Beitrag des Background Mobilität des Tagesspiegels:

Woran es bei Lastenrädern noch hapert
In der grünen Stadtlogistik spielen Lastenräder eine tragende Rolle. Doch momentan sind sie dem harten Logistik-Alltag noch nicht gewachsen. Einige Hersteller gehen neue Wege.
http://background.tagesspiegel.de/woran-es-bei-lastenraedern-noch-hapert

"Bei allem Lob gab es bei der einjährigen Bilanz des Berliner KoMoDo-Projekts im Mai auch Kritik: Offenbar ist seitens der Hersteller noch einiges an Entwicklungsarbeit nötig. Es fehlt zum Beispiel an Rädern, die den hohen Belastungen im kommerziellen Einsatz genügen und wirtschaftlich einsetzbar sind – also nicht allzu häufig ausfallen oder repariert werden müssen. Bei KoMoDo teilen sich die großen Logistikdienstleister DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS eine Mikrodepot-Fläche: Die Sendungen werden per Lkw von einem Umschlagplatz zu dem City-Hub im Prenzlauer Berg gebracht und von dort aus per Lastenrad an die Kunden geliefert (Tagesspiegel Background berichtete). Ende des Jahres wird entschieden, wo und wie das Projekt weitergeht.

Lastenräder seien zwar deutlich kleiner und leichter als konventionelle Fahrzeuge, bewegten sich emissionsfrei und klimaneutral und hätten deshalb eine höhere Verkehrssicherheit, sagte KoMoDo-Projektkoordinator Andreas Weber von der Logistikberatung LNC. Doch dem stünden die Nachteile entgegen: Das Ladevolumen ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Lieferwagen und die Reichweite ist nicht so groß. „Hinzu kommt, dass Lastenräder noch sehr teuer sind“, sagte Weber. Sie bewegten sich im preislichen Rahmen von Pkw. „Trotzdem haben sie nicht die Zuverlässigkeit, die momentan benötigt wird. Das ist ein entscheidendes Problem im Projekt gewesen, die Lastenräder täglich im Einsatz zu halten und Touren zu realisieren.“

Ausfall- und Reparaturkosten von bis zu 4000 Euro


Ralf Bogdanski wundert das kaum. „Projekte wie KoMoDo sind mit handelsüblichen Fahrzeugen nicht zu machen“, sagt der Logistikwissenschaftler von der Technischen Hochschule Nürnberg. Seit Jahren erprobt der Professor gemeinsam mit Projektpartnern Logistikkonzepte mit Lastenrädern. Inzwischen entwickelt er mit dem Partner ZEG (Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft) ein eigenes Lastenfahrrad. „Wir hatten jährliche Ausfall- und Reparaturkosten von 3000 bis 4000 Euro pro Lastenrad, das ist irre“, sagt Bogdanski. Aus seiner Sicht liegt das daran, dass die auf dem Markt verfügbaren Fahrzeuge aus Fahrradkomponenten zusammengeschraubt und -geschweißt sind, die dem harten gewerblichen Logistik-Alltag nicht gewachsen seien. Dem stünden Anschaffungskosten von rund 10.000 Euro gegenüber – rentabel sei das nicht.

Welche Herausforderungen die Zustellung per Lastenrad momentan mit sich bringt, weiß auch Martin Schmidt, Vorstandschef des Radlogistikverbands und Geschäftsführer der Firma Cycle Logistics. „Die meisten Lastenräder auf dem Markt kommen von Fahrradherstellern, die Fahrradkomponenten verbauen“, sagt er. „Die Bremsen sind ausgelegt auf die normale Fahrradnutzung.“ Auch die Laufräder seien ein Problem. „Wir müssen ständig Speichen wechseln, weil die oben am Nippel reißen.“ Die Hersteller fingen erst langsam damit an, die Komponenten stabiler zu machen und extrem belastbare Fahrzeuge zu konzipieren, wie es beispielsweise in Indien oder Fernost gang und gäbe sei. Zum Beispiel, indem Motorrad- oder Leichtkraftradkomponenten zum Einsatz kommen. Für wichtig hält Schmidt, dass die Lastenräder wartungsfreundlich sind: „Der Zusteller muss sich selbst helfen können. Meine Jungs haben alle ein Reparatur-Kit in der Box.“

Hersteller wie Rytle, Ono und Citkar reagieren auf die steigenden Ansprüche einer wachsenden Branche. Sie produzieren drei- bis vierrädrige Lastenräder mit E-Antrieb, die eher wie Kleinfahrzeuge daherkommen und mit modularen Cargoboxen ausgestattet sind, in der Regel aber noch auf Radwege passen. Das Berliner Start-up Ono etwa plant ein Cargobike, das nur gemietet werden kann – eigene Serviceteams vor Ort inklusive, die bei Problemen schnell helfen können. Kürzlich hat Ono in Berlin Pilotprojekte mit Hermes und Liefery gestartet, um die Machbarkeit einer Umstellung von konventionellen Lieferfahrzeugen auf die Ono-Lastenräder zu testen. Künftig sollen sich damit nicht nur Pakete, sondern auch Essen, Blumen, Möbel, Sperrgut oder Abfälle transportieren lassen, der Start der Serienproduktion ist für 2020 terminiert.


Proprietäre Systeme

Was Logistikwissenschaftler Bogdanski bei allen Herstellern kritisiert, ist die fehlende Standardisierung der Container. Das E-Lastenrad mit Wechselcontainer von Rytle etwa, das von Hermes, Citipost und UPS getestet wird, sei mit einem Kaufpreis von 18.000 bis 19.000 Euro sehr teuer – und funktioniere nur mit der zugehörigen Rytle-Lösung, einem Rollcontainer, der arretiert werden muss. „Der Container passt auf kein anderes Lastenrad oder Lkw. So funktioniert Logistik nicht“, sagt Bogdanski. Bei anderen Anbietern sei es ähnlich. Auf der anderen Seite seien die in der Logistik üblichen Wechselsysteme alle standardisiert – von der Lkw-Wechselbrücke über den 20-Fuß-Container bis zur Europalette.

Der Professor ist deshalb überzeugt, dass sich auch bei Lastenrädern nur Lösungen mit den gängigen Maßen durchsetzen werden. Folgerichtig entwickelt Bogdanski mit dem Projektpartner ZEG ein vierrädriges Lastenrad, dessen Wechselbehälter den Maßen einer Europalette entspricht. Damit wäre er mit allen logistischen Verkehrsträgern und Systemen kompatibel. Bei den Eckdaten haben die Partner darauf geachtet, dass das Lastenrad gesetzlich ein Fahrrad bleibt: Es ist mit einem Meter Breite Radweg-gerecht, hat eine Länge von 2,50 Metern und mit 25 Stundenkilometern Pedelec-Status.

„Wenn man eine Fahrzeugplattform entwickelt, die für das Grundmaß designt ist, kann man im Prinzip vom feststehenden Aufbau bis zur Europalette oder einem noch zu schaffenden standardisierten Wechselsystem für Lastenräder alles draufmontieren“, erläutert Bogdanski die Vorteile. Ein Feldtest mit vier Prototypen in Nürnberg und Münster läuft noch bis Ende des Jahres, ab Oktober soll das Lastenrad in Serie gehen.