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(c) climatewarrior (pixabay)

22.06.2023

Erfolg für kommunale Initiative: Mehr selbstbestimmt Tempo 30

Bundesregierung ermöglicht per Gesetz Einführung von Tempolimits und Sonderspuren für umweltfreundliche Autos. Infos zum Prozess, Einschätzungen & die Entwürfe der StVO hier im Download.

Was war die Aufregung?

Die rechtlichen Hürden für die Einführung von Tempolimits, etwa zur Sicherheit von Kindern vor Schulen, waren bislang sehr hoch. Im Kern geht es um den Entwurf für eine Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (hier als pdf), die das Kabinett am Mittwoch, den 21. Juni 2023 beschlossen hat. Die Süddeutsche Zeitung spricht gleich von einer »kleinen Revolution«. Und die Revolution kommt - wie immer - von unten: Städte und Bundesländer dürfen die lokalen Prioritäten in der lokalen Verkehrspolitik jetzt nach lokalen Bedürfnissen entscheiden. Klingt irgendwie nach einer klugen Form der dezentralen Intelligenz. Aber das war bisher im Straßenverkehrsgesetz nicht vorgesehen, denn Gründe, die einen Eingriffe in den 50 km/h-Auto-Verkehr möglich machten, waren nicht der Schutz der Umwelt, der Gesundheit oder die Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung.

Mehr Freiheit für die Kommunen: Tempolimits, Sonderspuren, Anwohnerparken

Künftig dürfen Städte und Gemeinden Rad- und Busspuren, Zebrastreifen und vor allem die von vielen Initiativen, Verkehrsplaner, Mobilitätsberater und Kommunen geforderten Tempobegrenzungen einrichten, ohne dass - wie bisher - "besondere Gefahre"n oder ein" besonderer Bedarf" nachgewiesen werden muss.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagt selbst, dass nun Tempo-30-Regelungen an Spielplätzen, Schulwegen, Krankenhäusern oder Fußgängerüberwegen einführbar sind. Ein von Städten gegründetes Bündnis hatte seit Jahren mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten innerhalb geschlossener Ortschaften gefordert - und einiges gewonnen.

Zulässig sind nun die Entscheidungen ausdrücklich auch dann, wenn sie zur „Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung“ beitragen. Auch das Anwohnerparken soll nun leichter eingeführt werden können.

Unklar: Ab wann gelten die Regeln?
Der Prozess. Der Entwurf.

Diese neuen Freiheiten für die Kommungen, die durch das verabschiedete Gesetz geschaffen, müssen nun in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden. Dazu bedarf es einen Beschluss des Gesetzes vom Bundestag. Neben dem Bundestag muss auch der Bundesrat den Änderungen zustimmen. Ziel ist nach Ministeriumsangaben eine Verabschiedung noch in diesem Jahr. Der Gesetzes-Entwurf als PDF-Link hier: Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr

Das Verkehrsministerium hat daher bereits einen Entwurf für eine StVO-Novelle erarbeitet, den das Kabinett am Mittwoch zur Kenntnis genommen hat (hier als pdf). Dieser Entwurf ist nun mit den Bundesländern abzustimmen, denen jedoch die neuen Freiräume teilweise nicht nicht weit genug gehen.

Damit bleibt die Konfliktlinie der Kompetenzzuweisung zwischen Bund und Kommunen im Grundsatz bestehen, da eine völlige Freiheit Bundesverkehrsminister Volker Wissing weiterhin nicht geben will.

Flächendeckendes Tempo 30 bleibt "unzulässig"

Ausnahmen von Tempo 50 müssten weiterhin „zwingend“ begründet werden, so der Verkehrsminister. Zudem müssen alle Maßnahmen dem Entwurf zufolge weiterhin der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ berücksichtigen. Das wird einerseits kritisiert, andererseits vertreten viele Verkehrswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die Position, dass diese Vorgabe kein großer Hinderungsgrund mehr ist, da Tempo 30 den Verkehr in der Regel ja tatsächlich sicherer und flüssiger mache, allem, wenn man unter Verkehr eben nicht nur den Autoverkehr versteht. Mit den E-Bikes, E-Scootern und auch den zügig fahrenden Bio-Bike-Radlern kommt eine neuer, gemeinschaftlicher Takt in die Straßen, der eher zu einer Beschleunigung für alle Verkehrsteilnehmenden führt.

Sonderspuren & Anwohnerparken

Spuren für Elektroautos sollen künftig auch möglich werden und die in den USA üblichen Pool Lanes, also Spuren für Autos, die mit mehreren Personen besetzt sindkomme so schneller durch den Berufsverkehr.

Behörden vor Ort sollen es künftig auch einfacher Anwohnerparkzonen ausweisen können, da nicht mehr der nachgewiesene "erhebliche Parkdruck" gilt, sondern Vorhersagen für Parkprobleme ein früheres Einschreiten ermöglicht. .

Übrigens nahezu ironisch: Nicht umgesetzt wird mit der Novelle die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, eine digitale Parkraumkontrolle zu ermöglichen. Getreu dem Motto: Autos first. Digitalisierung second.