RAD-IKALE
ANGEBOTE 30-40%
04.01.2018
Die Mobilitäts-Wende ist auch eine Parkraum-Wende. Aktivisten fordern oft die Umwidmung von Autostell-Plätzen. Ist das die Lösung? Es gibt effizientere und komfortablere Ansätze.
Die Individual-Mobilität steht im verdichteten urbanen Raum unter Druck - moralisch und infrastrukturell. Fordern die einen das Verbot von privaten Autos in Städten, wie der Berliner Forscher Prof. Dr. Andreas Knie in der Januar-Ausgabe von brand eins, sehen die anderen die Umwidmung von Autostellplätzen in Fahrradstellplätze als unausweichlich. Thomas Harloff diskutiert in der Süddeutschen Zeitung daher - mit mittlerweile geübten Blick nach Niederlande und Dänemark - die Situation in Deutschland an den Beispielen der Radstationen und auch der föderal unterschiedlichen Schlüssel für Radstellplätze bei Mietwohnungen.
In der Tat stimmen ein paar Weisheiten offenbar noch immer statistisch: Radwege erzeugen Radverkehre, sichere und trockerne Stellplätze für Fahrräder eben auch zur Verfügung stellen. Fahrrad-Aktivisten fordern, dass Autos dafür Platz abgeben müssen.
Radparkhäuser in Deutschland
Wir Deutschen sind spitze im Fahrradkaufen, aber nicht im Fahrradfahren. So geht Kapitalimus nicht selten. Die Dänen und die Niederländer sind eher umgekehrt: Da sieht man selten besondere Räder, dafür sieht man sehr viele Räder. Man sieht sogar - wie in Kopenhagen - ein neues verkehrswissenschaftliches und technologisches Forschungsfeld: den Fahrradstau. Das ist das Ergebnis einer konsisten Radverkehrspolitik, mit Verkehrsteuerung basierend auf der Fließgeschwindigkeit von Radlern, auf besonderen Radwegen und eben Parkhäusern.
Ein solches spezielles Parkhaus ging in Utrecht um die mediale Welt: Am dortigen Hauptbahnhof wurde in 2017 ein Parkhaus eröffnet, das Platz für 12 500 Fahrräder bietet und damit das größte der Welt ist. Wir reden hier über eine Mittelstadt, mit einer Einwohnerzahl von 340.000. Es ist gut beleuchtet, es gibt leicht verständliche Orientierungshilfen und Informationen, wo sich freie Stellplätze befinden. Die ersten 24 Stunden sind kostenfrei, danach pro Tag 1,25 Euro.
Und so geht das überall: Amsterdam, Groningen, Den Haag und an vielen weiteren Orten in den Niederlanden. Kopenhagen, die selbsterklärte europäischen Fahrradhauptstadt, hatte ein anderes Problem: der Radverkehr stieg in den vergangenen Jahren so rasant, dass der drastisch steigende Bedarf an Stellplätzen nicht gerecht wurde. Der wesentliche Treiber der Parkplatz- und Bürgersteignot: die Lastenräder, die für viele Familien das Auto ersetzen.
Für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC ist das Thema zentral, wie die Süddeutsche berichtet: "Fehlende Abstellmöglichkeiten sind eines der Hemmnisse beim Vorhaben, mehr Menschen zum Umstieg auf das Fahrrad zu bewegen", so Daniel Wegerich. In Nordrhein-Westfalen wird daran gearbeitet. Der ADFC-Landesverband betreibt in ganz NRW 66 sogenannte "Radstationen" - witterungsgeschützt, bewacht und meist zentrumsnah, oft direkt in Nähe des Hauptbahnhofs. Doch genaueres Hinschauen zeigt: das Projekt stagniert.
Bis zu den geplanten 100 Radstationen ist es noch weit. Auch außerhalb von NRW tut sich wenig; es gibt gerade einmal acht weitere Radstationen im restlichen Bundesgebiet.
Doch der ADFC will es nun "generalstabsmäßig" angehen, wie Wegerich sagt. Abseits des ADFC-Projektes gibt es auch nur marginala Einzelinitiativen - ohne eine Koordination. München - sich selbst als "Fahrrad-Mekka" interpretierend - verfolgt ein Bike-and-Ride-Konzept, zu dem überdachte Rad-Parkhäuser an Bahnhöhen gehören. Hier wird in München viel gemäkelt, zu wenig Plätze, zu wenig überdacht, zu wenig Sicherheit.
Regionale Bauverordnungen: Rad-Stellplätze pro Wohneinheit
Geparkt wird nicht im öffentlichen Raum allein: In und vor Mietshäusern stehen ebenfalls meist zu wenige Stellplätze für Fahrräder zur Verfügung.
Aber hier könnten sich deutsche MieterInnen ja auf die Vorgaben in den Bauverordnungen verlassen, die das eigentlich regeln. Die sogennanten Stellplatzschlüssel werden allerdings zumeist kommunal geregelt - also uneinheitlich.
In der Hansestadt Bremen - so die Recherche der SZ - hat jede Wohnung bis 60 Quadratmeter eine Rad-Stellplatz, bei größeren Appartements sind es zwei. Vierköpfige Familien, die in einer 120-Quadratmeter-Wohnung leben, haben damit zwei Fahrräder auf dem Balkon oder in der Badewanne.
Zum Vergleich: In der deutschen Fahrradhauptstadt Münster ist ein Stellplatz pro 30 Quadratmeter Wohnfläche vorgeschrieben - demnach vier pro 120-Quadratmeter-Wohnung.
Offen bleibt zudem die Art der Stellplätze. Bügel vor dem Haus, ohne Witterungsschutz, reichen aus, um die formale Voraussetzung zu erfüllen. Fahrradkeller wären hier nach wie vor das Mittel der Wahl der Mieter, aber dafür reichen nicht bei jedem Neubau die Kapazitäten - von Bestandsgebäuden ganz zu schweigen.
Kreative Lösungen aus Hamburg
In Hamburg stehen im Stadtgebiet verteilt etwa 370 zwölfeckige, jeweils sechs Quadratmeter große Fahrrad-Parkhäuschen. Darin finden bis zu zwölf Räder Platz, indem sie hochkant an einem drehbaren Karussell eingehängt werden. Übernimmt dies die Stadt? In der Regel werden sie privat angeschafft und auch auf Privatgrund aufgestellt. Die Stadt bezuschusst die 7000 bis 8000 Euro teuren Hütten mit lediglich 3000 bis 3500 Euro pro Exemplar. Nicht mehr als eine Insellösung für 4.400 Hamburger Fahrräder, aber immerhin ein Ansatz. Ein Ansatz, der nun auch auf die tatsächlich Autos ersetzenden Lastenräder mitdenken könnte. Und abgemeldete Autos in Innenstädten sind tatsächlich die besten Radstellplatz-Ermöglicher: 8 bis 11 Personen können ihre Verkehrsträger unterbringen.
Ausblick
Das Thema bleibt spannend, und die Städte reagieren unterschiedlich, aber die Folgen der Lösung "Steigerung des Radverkehrs am Gesamtverkehr" werden angegangen. Wie beispielsweise im Berliner "Mobiliätsgesetz", in dem 100.000 neue Stellplätze vorgesehen sind!