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Autoflotte

14.02.2023

Kolumne »Autoflotte« - Neuer Beitrag

vom BICICLI-Team

Neben dem Fahrrad taugt als Klimaretter ein fast vergessene Idee: die Werkswohnung. Sie verbindet Personalgewinnung und Mobilitätsvermeidung. Hier zur Kolumne.

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Wohnen beim Chef – fürs Klima

Hochfliegende Pläne brauchten Bodenhaftung. Graf Ferdinand von Zeppelin hat in Friedrichshafen am Bodensee das Zeppelin-Dorf während des ersten Zeppelinbooms in den Jahren 1914 bis 1919 erbaut. Die Siedlung gibt es bis heute – und wurde nahezu komplett unter Denkmalschutz gestellt. Der Grund für diese bodenständige Idee eines Flugunternehmens: Es war schlicht zu wenig Wohnraum in dieser schön gelegenen Urlaubsregion, in der 1823 die königliche Familie von Württemberg die Sommerfrische verbrachte. Und genau diese Idee von Werkswohnungen wird nun wieder frisch.

Wachsende Städte durch wachsende Arbeitgeber

Es ist nur eines von vielen Beispielen der Industrialisierung, der schnell wachsenden Unternehmen in naturgemäß immer langsamer hinterherwachsenden Infrastrukturen der Mobilität und Immobilien.

Die Idee war bestechend: Verdichtete Städte haben verdichtete Probleme bei Wohnraum und Staus beim Pendeln. Werks- und Dienstwohnungen in der unmittelbaren Nähe beim Arbeitgeber erleichterten Zuzug von neuen Mitarbeitenden und ersparten Mobilität. Noch vor Zeppelin wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Werkswohnungen von Zechen errichtet. Stahlunternehmen wie Krupp und Chemiekonzerne wie BASF folgten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm ihre Bedeutung noch einmal deutlich zu. Das waren die goldenen Zeiten der praktischen Shuttle-Busse und günstigen Wohnungen.

Die Werkswohnungen blicken also auf eine sehr lange, soziale wie wirtschaftliche Erfolgsgeschichte zurück. Die Zahl der Arbeiterwohnungen nahm nach der Wiedervereinigung stark ab: Waren es bis Ende der Siebzigerjahre noch 450.000 Werkswohnungen, sind es Ende 2012 nur noch 100.000 gewesen. Nun zeichnet sich eine Renaissance ab – gut 170 Jahre nach den Vorreitern und 100 Jahre nach den Vorfliegern wie Zeppelin.

Fachkräfte- und Wohnraum-Mangel treibt Werkswohnungen

Wohnraum vor allem in teuren Großstadtlagen wird gerade in Phasen steigender Zinsen Mangelware bleiben. Nun vergeben immer mehr Städte kommunale Grundstücke an Arbeitgeber, die Werkswohnungen bauen. Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:

  • steuerliche Begünstigung seit 2020
  • Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung von Fachkräften
  • Schaffung von Identität und Loyalität sowie eine Gemeinschaft
  • Bau von Werkswohnungen ist niemals ein Verlustgeschäft – im Zuge der hohen Planungssicherheit spielen die Mieten meist Gewinne ein
  • und ein Vorteil für Fuhrparkmanager: kein bzw. wenig Pendeln, also Mobilitätsvermeidung
  • Werkswohnungen und Mobilität: Vorreiter Mobilitätswirtschaft?

Wird die Mobilitätswirtschaft zum Vorreiter? Beispiel VW

Der überzeugendste Beleg, dass hier nicht mehr ideologische Grabenkämpfe zwischen ländlichem und urbanem Raum oder öffentlichem Nahverkehr (ÖPNV) und Autoverkehr vorliegen, kann darin gesehen werden, dass gerade die Mobilitätswirtschaft selbst zur mobilitätsvermeidenden Werkswohnung beiträgt: Volkswagen und ihre Immobilien-Tochter haben nach langen Jahren der Bestandswohnungsverwaltung nun neue Wohnsiedlungen für VW-Mitarbeiter in der Realisation. Auch weitere Mobilitätswirtschaftsunternehmen gehen konsequent diesen Weg, wie der Flughafen München (auch als Personalhotel mit Apartments), die Deutsche Bahn, die Wohnraum für Mitarbeitende als eigenen Schwerpunkt im Personalressort betreibt. Auch die Kölner Verkehrsbetriebe oder Stadtwerke wie in Köln oder München sind hier seit einigen Jahren Vorreiter – und nicht selten Vorradler. Aufgrund der Nähe.

Das hat zwei erfreuliche Konsequenzen: mitunter Einsparung von Parkraum (Stellplatznachweise müssen mit Kommune/Bezirk im Rahmen eines Mobilitätskonzeptesgegebenenfalls neu verhandelt werden) und Einrichtung von Mobilitätsstationen beim Arbeitgeber und Wohnareal für flexiblere Mobilität aller.

Weitere Treiber: CSRD, GHG und ESG

Wenn die Welt komplexer wird, bekommen wir mehr Abkürzungen. Was beim Verkehr gut klingen mag, ist hier eine Abkürzung für mehr Aufwand und Achtsamkeit im Bereich des Reportings und der Finanzierung. Konkret:

Die »Corporate Sustainability Reporting Directive« (CSRD) wurde im April 2021 von der Europäischen Kommission als Teil des »Sustainable Finance Package« und damit Ersatz der »Nonfinancial Reporting Directive« (NFRD) vorgeschlagen. Ziel ist die Kompatibilität mit dem »European Green Deal«, dem europäischen Rechtsrahmen zur »Disclosures- und Taxonomie-Verordnung«. Damit sollen eine Reduktion von Komplexität und das Vermeiden doppelter Berichterstattung realisiert werden – für alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und über 40 Millionen Euro Umsatzbeziehungsweise 20 Millionen Euro Bilanzsumme. Ende Juni 2022 kam die vorläufige Einigung des EU-Rates, des EU-Parlaments und der EU-Kommission. Damit gilt es ab 2024 für das Geschäftsjahr 2023. Die Richtlinie verpflichtet dazu, die durch die betriebliche Mobilität in den Verkehr gebrachten Emissionen auszuweisen. Hierunter fällt vor allem die Pendler-Mobilität, Geschäftsreisen, geleaste Fahrzeuge und der eigene Fuhrpark. Verfügt ein Unternehmen über keine eigene Datengrundlage, werden statistische Werte angenommen, die zumeist auf Verbrennermobilität angesetzt werden.

Weiterhin gibt es das sogenannte »Greenhouse Gas Protocol« mit seinen Standards und den vier Bereichen (sogenannte Scopes), denen Emissionen zugeordnet werden können:

  • Scope 1: alle direkten, das heißt aus Quellen innerhalb der Grenzen stammenden Emissionen.
  • Scope 2: indirekte Emissionen aus außerhalb erzeugtem und eingekauftem Strom und Dampf, aus außerhalb erzeugter und eingekaufter Wärme und Kälte.
  • Scope 3: alle sonstigen indirekten Emissionen, darunter die aus der Herstellung, dem Transport eingekaufter Güter oder der Verteilung und Nutzung der eigenen Produkte oder der Entsorgung von Abfällen. Hierzu gehören auch Emissionen aufgrund von betrieblicher Mobilität.
  • Scope 4: definiert als Emissionsminderungen, die durch ein Unternehmen ermöglicht wurden. Hier setzen Werkswohnungen und Mobilitätsvermeidung an und führen zahlreiche Fuhrpark-Abteilungen wie auch Personalabteilung zur Renaissance der Werkswohnung.

ESG in der »Taxonomie-Verordnung«: Dieses EU-Gesetz, das im Juli 2020 in Kraft getreten ist, schafft einen Rahmen für die Einstufung der Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Tätigkeiten. Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt(Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) beim Wirtschaften.Während das „E“ immer genauer ausgearbeitet wird, bleibt das „S“, also die Sozial-Taxonomie, auch aufgrund der wissenschaftlich nicht vergleichbar scharf möglichen Definitionen noch weitgehend unberücksichtigt. Man kann nach einer vertikalen und einer horizontalen Dimension unterscheiden, also einerseits danach, Menschen einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen (Wasser, Lebensmittel, medizinische Versorgung, Bildung und feste Unterkunft), und andererseits danach, positive Effekte auf bestimmte Personengruppen, vor allem auf Arbeitnehmer, zu fördern oder negative Auswirkung zu vermeiden.

Fazit: Alle neuen Gesetze, Verordnungen und auch für die Finanzmärkte relevant werdenden Taxonomien zeigen eine klare Richtung: nachhaltig und sozial. Dazu tragen erschwingliche Werkswohnungen und die eingesparten Emissionen durch reduzierte Pendlermobilität sehr wesentlich bei – gerade für Dienstleistungsunternehmen, die kaum andere Hebel für CO2-Einsparungen haben.

Prof. Stephan A. Jansen ist Geschäftsführer der »Gesellschaft für Urbane MobilitätBICICLI« und ihrer Mobilitätskonzeptberatung »MOND – New Mobility Designs«. Mit dem Geschäftsbereich BICICLI Cycling Solutions sind sie Pionier und Full-Service-Spezialist für Fahrradflotten-, Dienstrad- sowie Infrastruktur-Lösungen (u. a. Preisträger des Deutschen Fahrradpreises 2020, des Innovationspreises des Deutschen Handels sowie des Future Mobility Summit vom Tagesspiegel). Zum Sommer wurde er auf die Professur for Urban Innovation – Mobility, Health, Digitization an der Universität der Künste, Berlin, berufen. Er ist langjähriger wissenschaftlicher Berater der Bundesregierung (u. a. Mitglied des Innovationsdialogs der Bundeskanzlerin, der Forschungsunion, der Spitzencluster-Initiative). Jansen ist Gründungspräsident der Zeppelin Universität, seit 1999 Gastforscher an der Stanford University und vielfach für seine Arbeit und Publikationen ausgezeichnet – auch international im globalen Ranking der »Thinkers50«.

Er schreibt hier in seiner Kolumne „Neue Fahr-Lässigkeit“ – wissenschaftlich, bissig, humorvoll oder eben: autonom, elektrisierend und rasant.

Rechtliche, steuerliche, regulatorische Rahmenbedingungen

Grundsätzlich versteht man unter einer Werks-beziehungsweise Dienstwohnung eine Wohnung, die dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber bereitgestellt wird – je nach vertraglicher Ausgestaltung mit unterschiedlichen rechtlichen Folgen für das Verhältnis von Mietvertrag zu Arbeitsvertrag. Grundlegend gilt: Auch bei der Vermietung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden greift vollumfänglich das deutsche Mietrecht. Es wird zwischen vier Verträgen unterschieden:

  1. Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch (für kurzzeitigen Sonderbedarf wie Messen, Tagungen) und
  2. der qualifizierte Zeitmietvertrag,
  3. der Vertrag als Werkmietwohnung gem. Paragraf 576 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) mit zwei getrennten und selbstständigen Arbeits- und Mietverträgen und
  4. der Vertrag für Dienstwohnungen gem. Paragraf 576b BGB, bei dem die Wohnraumnutzung Bestandteil des Arbeitsvertrages und Teil des Entgeltes ist.

Wie für alle Mietverhältnisse gilt für diesen Mietvertrag das aktuelle Mietrecht. Allerdings kann der Vermieter den Vertrag früher aufkündigen, wenn sich das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Mieter aufgelöst hat. Dies gilt insbesondere bei Dienstwohnungen, bei denen kein gesonderter Mietvertrag vorliegt, sondern die (kostenlose) Vermietung an den Arbeitsvertrag gekoppelt ist.

Für die kostenwirksame Miete gilt: Mietende, die in einer Werkmietwohnung wohnen, zahlen ganz normal Miete. Aus steuerlichen Gründen orientiert sich die Miete einer Werkswohnung an der ortsüblichen Vergleichsmiete. Also ist auch eine Mieterhöhung gemäß dem geltenden Mietrecht möglich.

Steuerrechtlich ist bei Werkswohnungen genau das zu beachten, was wir vom Dienstwagen her kennen: der geldwerte Vorteil. Dieser tritt ein, wenn eine zu große Differenz zwischen der Miete für die Werkswohnung und der ortsüblichen Miete besteht. Das ist unabhängig davon, ob die Wohnung dem Arbeitgeber gehört, sie auf seinem Grund steht oder er sie angemietet hat. Bis Ende 2020 unterlag die Differenz der günstigeren Miete für eine Werkswohnung oder Dienstwohnung zur Marktmiete als geldwerter Vorteil immer voll der Steuer – verbunden mit der Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung. Dies hat sich 2021 geändert: Überlassen Firmenchefs oder -chefinnen den Beschäftigten verbilligt firmeneigene oder angemietete Wohnungen, bleibt ein entstehender geldwerter Vorteil unter zwei Voraussetzungen steuerfrei:

  1. Der Betrieb verlangt mindestens zwei Drittel der ortsüblichen Miete für die Wohnung und
  2. der Quadratmeterpreis liegt nicht über 25 Euro.

Und arbeitgeberseitig können beim Bau einer Werkswohnung steuerliche Vorteile genutzt werden: Da die Werkswohnung auch eine Kapitalanlage ist, kann sowohl der Kauf eines Grundstücks als auch der Kauf oder Bau einer Immobilie steuerlich abgesetzt werden.

Regulatorischer Anpassungsbedarf wird beispielsweise in den Benutzungsrechten gesehen, weil Wohnungen etwa in einem Gewerbegebiet liegen. Es soll Unternehmen leichter gemacht werden, die ihnen zur Verfügung stehenden Flächen für Werkswohnungen zu nutzen. Weiterhin sollen Werkswohnungen gezielt in die soziale Wohnraumförderung eingebunden werden. Daraus sollen sich steuerliche Anreize für die Unternehmen ergeben.

Renaissance einer naheliegenden Idee zwischen Arbeit und Wohnung

Wohnen und Arbeiten rücken wieder näher zusammen, was nicht nur eine stärkere Bindung erzeugt, sondern auch Mobilität vermeidet. Alle Regulatorik und Taxonomie zielt genau auf solche Maßnahmen ab. Die ökonomische Perspektive ist aufgrund der Rendite- und Steuersituation durchaus attraktiv, wie die ersten Beispiele der Renaissance zeigen. Der Arbeitgeber schafft Bindung, Nähe. Und für alle flexiblen Mobilitätsbedarfe gibt es dann Mobilitätsstationen – vom E-Car über E-Scooter bis zum E-